Kanada: "Big Land, Small Talk"
Alexia Petersen
Als Kanadierin, die seit fast 15 Jahren
in Deutschland lebt, bezeichne ich mich als "gut eingelebt".
Das "Einleben", wie viele andere Gäste bestätigen
können, kann allerdings eine ziemlich holprige Reise sein,
obwohl dies noch längst nicht bedeuten muss, dass sie nicht auch
ihre Vorteile hätte. Es kommt halt darauf an, wie gut man auf
die "Schlaglöcher" vorbereitet ist, die einen auf
diesem Weg erwarten, und wie man mit ihnen umgeht.
Vor vielen Jahren, als ich damals als
Student nach Deutschland kam, blieb ich bereits wenige Tage später
in solch einem Schlagloch stecken. Ich bezog mein Zimmer im
Studentenwohnheim, und wartete aufgeregt auf das Begrüßungskomitee...
Niemand kam. Auf den Gängen und in
der Küche des Wohnheims sah ich zwar öfters ein verlegenes
Lächeln, mehr passierte aber leider selten. Trotzdem erweckte
ich als Kanadierin mit asiatischer Abstammung einige Neugier, die
dann in den typischen, vorhersehbaren Katalog von Fragen mündete:
Woher ich komme? (Kanada), Woher ich denn wirklich
komme? (Kanada, ehrlich), Bin ich dort geboren? (Was hat
der Geburtsort mit der Nationalität zu tun?), Woher kommen
meine Eltern? (Was hat das mit meiner Nationalität
zu tun?). Ich legte mir eine Reihe von möglichen Erklärungen
für dieses Verhalten zurecht, das ich sehr merkwürdig und
enttäuschend fand: Kein Interesse an mir als Person; ein Mangel
an gesellschaftlichen Umgangsformen; eine ungastliche Kultur;
Vorurteile gegenüber Ausländern. Was auch immer ich für
Erklärungen zu finden glaubte, sie waren nicht nur herablassend,
sondern in zunehmendem Maße auch beurteilend.
Ob eine Kooperation mit einer anderen
Kultur erfolgreich ist, läßt sich in den Gängen eines
Studentenwohnheims genauso gut erkennen wie in den Besprechungsräumen
einer Firma. Das Potential, das in solchen Situationen steckt, kann
nur dann genutzt werden, wenn beide Seiten die Fähigkeiten
haben, mit neuen, unbekannten und potentiell kniffligen Situationen
souverän umgehen zu können. Der Erwerb von effektiven
Kommunikationsfähigkeiten auf diesem Gebiet benötigt als
ersten Schritt die Erkenntnis, dass hier mit den beteiligten Personen
verschiedene Sätze von Annahmen und Erwartungen zusammentreffen,
die oft völlig gegensätzlich geartet sind. Diese
unterschiedlichen Annahmen und Erwartungen beeinflussen ganz
erheblich die Interpretation der Nachrichten, die wir austauschen,
oft völlig unabhängig von ihren ursprünglichen,
beabsichtigten Inhalten. Kommunikation ist schließlich nie eine
Einbahnstraße. Wenn man zusätzlich noch berücksichtigt,
wie stark kulturelle Werte und Weltbilder diese Annahmen und
Erwartungen beeinflussen, dann wird klar, dass Misskommunikation oft
vorprogrammiert ist.
Wie viele andere Einwanderungsländer
dieser Welt, so ist auch Kanada ein riesiges Land. Ein Flug von der
Ost- zur Westküste dauert mehr als neun Stunden. Der Großteil
der Bevölkerung, die gerade mal 31 Millionen umfasst,
konzentriert sich in einer Reihe von Ballungsgebieten im Süden
des Landes, nicht weit von der Grenze zu den U.S.A. Im Gegensatz zu
anderen Metropolen dieser Welt ist selbst meine Heimatstadt Toronto,
die größte Stadt Kanadas, relativ weiträumig
angelegt. Selbst an den Orten der Stadt, an denen die meisten
Menschen zusammen kommen, fühlt man sich nicht wirklich beengt.
Wenn einer Gesellschaft so viel Raum
zur Verfügung steht, versucht man instinktiv, diesen Raum zu
überbrücken, sich selbst und den anderen etwas näher
zusammen zu bringen, physisch und psychologisch. Die Besiedlung der
ausgedehnten Räume von Einwanderungsländern wie Kanada
geschah durch die Bildung von vielen kleinen Siedlungen, deren
Bewohner aus aller Herren Länder kamen. Die Hauptstadt war weit
weg; zu weit, als dass man sich auf die eigene Regierung in Bezug auf
Hilfe und Schutz verlassen konnte. Die frühen Siedlungen
bildeten sich daher hauptsächlich aus Notwendigkeit. Die
Unterstützung, die man im Heimatland durch familiäre
Beziehungen und gewachsene Dorfgemeinschaften hatte, gab es hier noch
nicht. Um in dieser neuen Umgebung zu überleben musste man sich
praktische auf Fremde - die einzigen Menschen, die in der Nähe
waren - verlassen können: die eigenen Nachbarn.
Diese Ausgangssituation, die die
kanadische Kultur im Kern geprägt hat, hat zu zwei
verschiedenen, aber verwandten Kommunikations- und Verhaltensstilen
geführt. Ursprünglich diente Smalltalk dazu, den Raum
zwischen einem selbst und den anderen Bewohnern der Siedlung zu
verringern, um so eine gemeinsame Basis für Menschen
verschiedenster sozialer, ethnischer und religiöser Herkunft zu
schaffen. Eine solche Zweckgemeinschaft bildete sich daher in
der Regel auf Grund von gemeinsamen Bedürfnissen, nicht auf
Grund von existierenden Freundschaften oder familiären
Bindungen. Auch heute erfüllt Smalltalk eine ganze bestimmte
Funktion, mehr als nur den Austausch von Ansichten über das
Wetter. Smalltalk kann zu allen Arten von Diskussionen führen,
mit den Zweck, Gemeinsamkeiten zwischen den Gesprächspartnern zu
erkunden, in denen sich die Möglichkeiten für eine
zukünfige persönliche oder geschäftliche Beziehung
offenbaren. Selbst in den flüchtigsten Begegnungen schafft
Smalltalk eine "Zone des Komforts", die allemal angenehmer
ist als das verlegene Schweigen zwischen zwei Fremden.
Heute lebt der Großteil der
kanadischen Bevölkerung natürlich im städtischen
Umfeld, und die Gemeinschaften haben sich längst etabliert.
Trotzdem erleichert der Instinkt, Distanz zu überbrücken,
noch immer die interpersonelle Kommunikation, selbst in der relativen
Anonymität einer Großstadt wie Toronto. Genau dieser
Instinkt ist er Grund, warum diese Stadt, die für ihren
multikulturellen Charakter berühmt ist, auch
interkulturell so gut funktioniert.
Ein zweites Kommunikationsmuster,
ebenfalls typisch für Kanada, balanciert diesen Drang nach
Verringerung der Distanz in entgegengesetzte Richtung aus. Während
beispielsweise ein offenes Gespräch die psychologische Distanz
leicht verringern kann, wenn dies notwendig oder nützlich ist,
wird der persönliche Raum des Anderen respektiert und nicht
angetastet, wenn dies nicht nötig ist. Egal wie nahe man neben
jemandem im Café oder im Bus sitzt, egal wie interessant
jemand scheint, an dem man gerade vorbei geht; direkter, anhaltender
Blickkontakt wird vermieden. Wenn man jemanden aus Versehen anstößt
oder berührt, entschuldigt man sich sofort, oft tut das der
Andere gleichzeitig. Steht man in einer Schlange, hält man
Abstand zum Vordermann. Auf ganz ähnliche Weise werden
entgegengesetzte Ansichten und Standpunkte nicht mit allen Mitteln
verteidigt oder durchgesetzt. Schließlich gibt es genug Platz
für alle, auch im übertragenen Sinne.
Im Gegensatz zu diesen
Zweckgemeinschaften, die typisch für die großen
Einwanderungsländer der "Neuen Welten" sind, bildeten
sich die Dorfgemeinschaften der "Alten Welten" um
eine kleine Anzahl von Familien und deren nahe Verwandte. "Newcomer"
waren im wahrsten Sinne des Wortes Außenseiter. Der
vorherrschende soziale Verhaltenskodex verlangte vom Newcomer, dass
er sich der etablierten Gemeinschaft vorstellt, die über seine
Aufnahme in den geschlossenen Kreis auf Basis seiner
Vertrauenswürdigkeit entscheidet. Es ist kein Wunder, dass sich
aus diesen Gegebenheiten ein ganz anderer Verhaltens- und
Kommunikationsstil entwickelte. Man legt eine vorsichtigere,
abwartende Verhaltensweise an den Tag; dem Newcomer werden gezielte
sachorientierte Fragen gestellt, um Informationen zu sammeln um ihn
oder sie "einordnen" zu können; Feste und
gesellschaftliche Ereignisse sind in erster Linie dazu da, "unter
Freunden" zu sein, nicht um Kontakt zu Fremden aufzubauen. Genau
wie die Nachfahren der Siedler der "Neuen Welten" leben
auch in diesen Gesellschaften die meisten Menschen mittlerweile nicht
mehr in Dörfern, sondern in Städten, und trotzdem lassen
sich viele Verhaltens- und Kommunikationsmuster auf diese kulturellen
Wurzeln zurückführen.
Wo wenig persönlicher Raum für
den Einzelnen zur Verfügung steht, werden die Grenzen dieses
Raumes deutlicher abgesteckt, auch im Umgang und der Kommunikation
mit Anderen. Im Gegensatz zum eher offenen Layout eines kanadischen
Anwesens sind beispielsweise die Grenzen deutscher Grundstücke
viel öfter durch Zäune abgesteckt, im Innern sichern viele
Türen mit Schloss und Schlüssel bei Bedarf die
Privatsphären der Bewohner. Gäste werden "formell"
eingeladen, unangekündigte Überraschungsbesuche sind eher
selten. Wer als Ausländer die deutsche Sprache lernt, bemerkt
bald die Bedeutung der Grenzen: Man zieht Grenzen,
setzt Grenzen, und hält Grenzen ein. Man freut
sich auf eine Gelegenheit, sich zurückziehen zu können
um seine Ruhe zu haben.
Wenn zu wenig Platz vorhanden ist, oder
dieser Platz mit zu vielen Beschränkungen belegt ist,
manifestiert sich auch das in verschiedenen Kommunikationselementen:
Eine geringere Hemmschwelle gegenüber der Verletzung des
persönlichen Raums des Anderen (keine Entschuldigung nach einem
versehentlichen Körperkontakt); eine andere Auffassung davon,
was zurückhaltendes Verhalten in der Öffentlichkeit angeht
(offener und "starrender" Blickkontakt); eine aggressive
Inbesitzname von öffentlichem Raum zur Vergrößerung
des persönlichen Raumes (das Bedrängen des Vordermannes auf
der Autobahn). Solange man den Kontext dieser Verhaltensweisen nicht
kennt, unter denen sie sich gebildet haben, begeht man zu leicht den
Fehler und bewertet sie auf Basis der Verhaltensregeln der eigenen
Kultur, was unvermeidlich zu Missverständnissen führt.
Smalltalk ist eines der prominentesten
Opfer solch kultureller Missinterpretationen. Deutsche weisen schnell
auf die vermeintliche Oberflächlichkeit des Smalltalks hin, so
wie er in Nordamerika praktiziert wird. In diesem klassischen
Beispiel interkultureller Misskommunikation wird das eigene
Wertesystem zur Einordnung und Bewertung des sichtbaren (verbalen
oder nonverbalen) Verhaltens der anderen Kultur benutzt. Vor diesem
Hintergrund muss die nordamerikanische Art der Freundlichkeit
natürlich enttäuschen, da man verwundert ist, dass man
nicht automatisch das Bedürfnis im Gegenüber feststellt,
eine "echte Freundschaft" aufzubauen. Wenn man aber den
Sinn und Zweck des Smalltalks versteht, dass er nämlich Distanz
verringert und soziale Kontakte vereinfacht, und dadurch eine
Beziehung initiiert, aus der möglicherweise eine
Freundschaft werden kann, dann erkennt man als Deutscher, dass
vor diesem Hintergrund Freundlichkeit nicht automatisch zur
Freundschaft führt, oder die Einleitung dazu darstellt.
Schließlich muss der Fremde kein Freund sein, nur um ihn
freundlich zu behandeln.
Auf der anderen Seite, was ein Kanadier
als eine gewisse "Steifheit" bei einem deutschen Kollegen
während der ersten Besprechungen oder dem geselligen
Beisammensein empfindet, ist oft einfach ein Ausdruck einer
zurückhaltenden Professionalität und eines angemessenen
Respektes auf der Seite des Deutschen, die er Kollegen in solchen
Situationen entgegen bringt. Es kann auch einfach bedeuten, dass der
Deutsche Smalltalk einfach nicht so gut beherrscht, insbesondere
solange er von dessen tatsächlichem Nutzen noch nicht
überzeugt ist. Weder der Kanadier, noch der Deutsche, die sich
beide zum ersten Mal am Besprechungstisch treffen, hält sein
eigenes Verhalten für "fremdartig"; beide agieren und
reagieren "normal", und vor allen Dingen effektiv in
ihren eigenen Kulturen. Kompetenzen in der interkulturellen
Kommunikation zu entwickeln bedeutet aber, sich auf andere
kulturelle Stimmen und Vokabulare einstellen und seine eigene
"Stimme" geschickt modulieren zu können, so dass
effektive Kommunikation über Kulturgrenzen hinweg möglich
wird.
Während Smalltalk in der
traditionellen geschlossenen Dorfgemeinschaft keine Funktion hatte,
so erkennen deutsche Geschäftsleute, ähnlich wie damals die
Siedler in Nordamerika, dass manchmal das Erlernen neuer
Kommunikationsstile notwendig ist, wenn man mit seinen
"Geschäfts-Nachbarn" in Kontakt kommt. Für mich
als Kanadierin, die damals vor Jahren zum ersten Mal in verschiedene
etablierte deutsche Gemeinschaften gekommen war, bedeutete
erfolgreiches Kommunizieren nicht nur das Erlernen der deutschen
Sprache, sondern auch "interkulturell mehrsprachig" zu
werden. Beiden Seiten fehlten damals die entsprechenden Kenntnisse,
deswegen war die Misskommunikation unausweichlich.
Seit
ich damals an diesem ersten Schlagloch auf der Straße der
interkulturellen Kommunikation hängen geblieben bin, habe ich
einige Zeit damit verbringen müssen, Schlaglöcher zu
reparieren. Aber ist gerade das nicht Teil des ganzen Prozesses? Egal
wie schnell der Wagen ist, oder wie gut die eigenen Fahrkenntnisse
sind; die Reise wird nicht so komfortabel wie sie sein könnte
wenn man sich nicht nach und nach ebenfalls um die Schlaglöcher
kümmert.
Alexia Petersen, September 2002
Checklisten zur interkulturellen Kommunikation
Kanada
Die Checklisten können Sie auch als Datei im
PDF-Format anzeigen bzw. herunterladen.
Die
folgenden Checklisten sollen Ihnen zu einem reibungsloseren,
kommunikativeren Dialog mit Kanadiern verhelfen. Bedenken Sie aber
bitte, dass solche Listen Produkte der erfolgreich erworbenen
Kompetenz in der interkulturellen Kommunikation darstellen, und nicht
die Grundlagen dafür
sind. Grundlage für das Erlernen der Fähigkeiten,
wie man mit anderen Kulturen kommuniziert sind Kenntnisse
darin, warum bestimmte Verhaltensweisen in anderen Kulturen
vorherrschen. Unser Ansatz besteht darin, den Teilnehmern unserer
Seminare und Workshops die kulturellen Kernkonzepte zu vermitteln,
die in den verschiedensten Kulturen zu den jeweiligen Verhaltens- und
Kommunikationsmustern führen. Diese Kenntnisse sind die
Grundlage zur Entwicklung der Fähigkeiten, Kommunikationshürden
zwischen Kulturen zu überwinden. Unser Ziel ist es unseren
Lesern zu ermöglichen, ihre Fähigkeiten in der
interkulturellen Kommunikation selbst weiter zu entwickeln, um sie
früher oder später zu befähigen, ihre eigenen,
persönlichen Checklisten zu erstellen. Aus diesem Grund finden
Sie am Ende der Checkliste einen Abschnitt, der Ihnen als Leitfaden
dazu dienen soll, Ihr erworbenes interkulturelles "Vokabular"
aktiv anzuwenden. Wer auf diese Weise auf soliden Kenntnissen
aufbaut, für den führt "Learning by Doing" auch
in der interkulturellen Kommunikation zum Erfolg.
Bevor Sie diese Checkliste lesen, lesen Sie bitte
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Was Sie vermeiden sollten
- Nehmen
Sie nicht an, dass Freundlichkeit und Kameradschaftlichkeit im
Umgang mit Ihnen automatisch eine Einladung zur Freundschaft
darstellen. Die "ideale" Situation beim Aufbau neuer
Beziehungen, zur der insbesondere Smalltalk führen soll, ist
wenn zwei Menschen, die sich beruflich oder privat begegnen, nicht
mehr Fremde sind, aber deswegen auch noch nicht notwendigerweise
Freunde. Smalltalk vermeidet zumindest eine unangenehme Stille, im
besten Fall entdecken die Gesprächspartner Gemeinsamkeiten, in
denen sich die Möglichkeiten für eine zukünfige
persönliche oder geschäftliche Beziehung offenbaren.
- Auch
wenn man Zahlen und Fakten in Ihrer Präsentation erwartet und
schätzt: Beginnen Sie nicht mit umfangreichen Erläuterungen
zum Hintergrund des Themas, was die Zuhörer leicht langweilen
könnte. Nordamerikanische Zuhörer sind viel eher daran
interessiert, sofort und gleich das zu erfahren, was sie wissen
müssen, und was direkt ihre eigene Arbeit betrifft.
- Seien
Sie vorsichtig, wie Sie Kritik anbringen, oder Andere korrigieren
und zurechtweisen. Kanadier haben informellere Umgangs- und
Kommunikationsformen, aber genau deshalb nimmt man es leicht übel,
wenn man vor Anderen korrigiert oder zurechtgewiesen wird, denn
dadurch wird der lockere und harmonische Umgang miteinander aufs
Spiel gesetzt. Selbst wenn Sie glauben, Sie reden in diesem
Zusammenhang über rein technische und damit "neutrale"
Themen: Dies ist nicht notwendigerweise der Ton, in dem Ihre
Nachricht aufgenommen wird.
|
|
Was Sie beachten sollten
- Kanada
befindet sich wie Deutschland auch auf der "Low Context"-Seite
der Skala der Kommunikationsstile. Man meint, was man sagt, und
umgekehrt; es wird wenig Information "zwischen den Zeilen"
übertragen; man ist klar, präzise und direkt. Klarheit und
Präzision haben in der Kommunikation generell einen positiven
Stellenwert, da sie in beiden Kulturen Missverständnisse
verhindern, die einen gerade im geschäftlichen Umfeld ansonsten
schnell teuer zu stehen kommen könnten. Im Gegensatz zu
Deutschen wählen die Kanadier typischerweise jedoch dort einen
weniger direkten Kommunikationsstil, wo es möglich ist. In
Situationen, insbesondere im Geschäftsleben, wo Direktheit
notwendig oder sogar produktiv ist, redet man nicht um den heißen
Brei herum, aber der vorherrschende Standpunkt ist, eine Kombination
aus Mäßigung und Harmonie zu betonen. Ausgesprochene
Direktheit ist der letzte und unangenehme Ausweg, und selbst dann
ist sie oft nicht mit Aggressivität gleich zu setzen!
- Ein
gewisses Maß an "Understatement" ist ein wichtiges
Kommunikationselement für Kanadier, die in dieser Beziehung
schnell den Unterschied zu U.S.-Amerikanern betonen. In kniffligen
Situationen, die Fingerspitzengefühl benötigen, gelten
Mäßigung und gesunder Menschenverstand als bessere
Wegweiser auf dem Weg zur Lösung als aggressivere Methoden.
Europäische Geschäftsleute sollten zurückhaltend
sein, wenn sie mit denselben harten Bandagen, die sie in den U.S.A.
benutzen, auch in Kanada erfolgreich sein wollen.
- Wie
in Deutschland auch ist das Zeitmanagement in Kanada linear und
Aufgaben-orientiert. Da Zeit eine Resource ist, wird sie in einzelne
Einheiten aufgeteilt, und je weniger Zeit zur Verfügung steht,
desto kürzer werden die einzelnen Zeiteinheiten. Da jedoch das
Geschäftsleben in Nordamerika weitaus zukunftsorientierter ist
als in Europa, ist das Tempo merkbar schneller. Auch dies drückt
sich im Kommunikationsverhalten aus, beispielsweise in Emails, in
denen man sich nicht nur kurz fasst, sondern in denen man kaum in
Wort verliert, dass nicht unbedingt notwendig ist. Dieser
Kommunikationsstil seht allerdings im direkten Kontrast zur
Freundlichkeit der Kanadier bei persönlichen Begegnungen, und
führt zudem oft leicht dazu, Nordamerikaner fälschlicherweise
als oberflächlich zu bezeichnen.
- Wie
in den meisten anderen Einwanderungsländern der "Neuen
Welten", so hat auch in Kanada Hierarchie an sich keinen hohen
Stellenwert. Das öffentlichen Leben und die Institutionen
werden wesentlich weniger durch Bürokratie und Formalitäten
eingeengt als in Deutschland, wodurch Entscheidungen viel zügiger
getroffen werden können. Kanadier bevorzugen daher
Schnelligkeit und Flexibilität in potentiellen
Geschäftspartnern.
- Obwohl
das Arbeitsklima in Kanada durchweg lockerer und informeller ist,
sollte man dennoch nicht übersehen, dass es trotzdem eine
Hierarchie gibt, wenn sie auch in der Regel weniger sichtbar ist.
Auch wenn beispielsweise die Angestellten ihren Vorgesetzten oder
ihre Vorgesetzte beim Vornamen nennen, so hat er oder sie trotzdem
die notwendige Autorität, und beide Seiten sind sich dessen
bewusst. Während Sie also durchaus einen informelleren Ton in
geschäftlichen Kontakten mit Kanadiern anschlagen sollten, so
sollten Sie trotzdem nicht vergessen, wem Respekt gebührt, und
das auf eine subtilere Art auch zeigen.
- Innerhalb
Kanadas gibt es Unterschiede im Kommunikationsverhalten zwischen den
englischsprachigen und den französischsprachigen Regionen.
Verbale Kommunikation in Quebec ist in der Regel etwas indirekter
und formeller als im restlichen englischsprachigen Kanada, wenn dies
auch längst nicht so stark ausgeprägt ist wie in
Frankreich.
- Deutsche,
die geschäftlich nach Kanada reisen, werden in der Mehrzahl
entweder Toronto, das geschäftliche Zentrum Kanadas als Ziel
haben, oder Vancouver. Beide Städte gehören kulturell und
ethnisch zu den vielfältigsten Städten der Welt. Europäer
sollten verstehen, dass Nordamerikaner ihre nationale Identität
auf eine ganz andere Weise definieren als Europäer. Zum
Beispiel definieren Kanadier "Nationalität" auf der
Basis von Geburtsort und Wohnsitz ("Nationalität" und
"Staatsangehörigkeit" haben in Nordamerika praktische
dieselbe Bedeutung), nicht im Hinblick auf ethnische Abstammung.
Dies ist ein typisches Beispiel dafür, wie in
Einwanderungsländern die physische und kulturelle Distanz
überbrückt wird. Europäer kommen in Kanada mit
Menschen aller möglichen ethnischen Abstammungen in Kontakt,
und sollten sich davor hüten, einen Teil davon als "nicht
wirklich kanadisch" anzusehen, bloß weil sie
anscheinend nicht europäischer Abstammung sind. Fragen wie die,
die im zugehörigen Artikel beschrieben sind, werden nicht nur
als ungeschickt und unangemessen angesehen, sondern in einigen
Fällen auch als beleidigend.
- Denken
Sie daran dass Nordamerikaner generell weniger Zeit haben (z.B. oft
längere Fahrzeiten zur Arbeitsstätte, längere
Arbeitszeiten, weniger Urlaub) als Deutsche. Falls man Sie längere
Zeit auf Antworten warten lässt, z.B. nach einer ersten
Kontaktaufnahme Ihrerseits, könnte dies durchaus der Grund
dafür sein.
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Was Sie tun sollten
- Im
sozialen Umgang miteinander sind Kanadier wesentlicher weniger
formell als Deutsche, sowohl im Berufs- wie auch im Privatleben.
Die schwächer ausgeprägte institutionelle und soziale
Hierarchie vereinfacht Kontakte quer durch alle
Gesellschaftschichten. Obwohl Kanadier den Status eines Vorgesetzten
anerkennen und angemessenen Respekt zeigen, beugen sie sich nicht
automatisch jeder Autorität.
- Bereiten
Sie sich darauf vor, bei der Aufgabenbewältigung und in der
Projektarbeit flexibler zu agieren und zu reagieren. Projekte
werden oft unter Berücksichtigung mehrerer möglicher
Verläufe begonnen, um auch auf unvorhergesehene Situationen so
reagieren zu können, dass das Projekt in erfolgreiche Bahnen
gelenkt werden kann. Plötzliche auftretende Ereignisse und neue
Situationen stellen für Kanadier oft eher Chancen als Risiken
dar. Business-Kompetenz und Cleverness zeigt daher insbesondere der,
der mit Flair und Kreativität solche Situationen meistert.
- Seien
Sie auf einen wesentlich direkteren Ton in der schriftlichen
Kommunikation vorbereitet, insbesondere in Emails, als Sie bei
persönlichen Begegnungen erfahren werden. Oft enthalten Emails
aus Nordamerika nicht mal eine Anrede, gerade wenn Sie mit dem
Absender bisher nur Kontakt per Email hatten. In dieser Hinsicht
können Emails aus Kanada noch wesentlich mehr "Low
Context" sein als die direktesten deutschen Emails. Was man
aber nicht vergessen sollte ist, dass der Ton bei persönlichen
Begegnungen, die sich an erste Kontakte per Email eventuell
anschließen, viel angenehmer, indirekter, und persönlicher
sind, als die Emails vermuten lassen. Ein sanfterer Ton, mit dem man
eine persönliche Beziehung pflegt, dient oft als Ausgleich und
Puffer für Situationen im geschäftlichen Alltag, in denen
die Gespräche auch einen etwas ernsteren Verlauf nehmen können.
- Machen
Sie mehr Smalltalk als Sie für nötig halten.
Richten Sie sich darauf ein, dass Sie in Kanada bei verschiedenen
Anlässen wesentlich mehr "Networking" mit Leuten
betreiben, die Sie bisher noch nicht kennen; diese Art der
Geselligkeit ist ein wichtiger Teil der Bildung geschäftlicher
Kontakte. Nordamerikaner sind offener, was persönliche Themen
beim Smalltalk angeht. Denken Sie daran, dass eine Reihe von
Informationen, die für Deutsche zur Privatsphäre gehören,
unter Nordamerikanern mit Anderen geteilt werden (z.B. die Höhe
des eigenen Gehalts). Bereiten Sie sich daher darauf vor, in
mancher Hinsicht offener zu sprechen und auf diese Weise ein
persönlicheres, kameradschaftlicheres Verhältnis
aufzubauen, wie Sie dies normalerweise mit deutschen
Geschäftspartnern tun würden.
- Ähnlich
wie Deutsche erstellen auch Kanadier einen "Action Plan"
zur Durchführung von Projekten, der dann Schritt für
Schritt abgearbeitet und implementiert wird. Im Unterschied zu
Deutschen sind Kanadier allerdings flexibler, wenn es darum geht,
auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren, neue Vorschläge
auszuprobieren, und so eventuell den vorgezeichneten Weg kurz vor
Beginn der Arbeit noch zu ändern, oder sogar nachdem die Arbeit
an der Implementierung schon begonnen hat. Risiken und Wendungen
werden nicht automatisch als Nachteile angesehen. Die Fähigkeiten
eines Managers werden danach beurteilt, wie gut er die Risiken
voraussehen kann, und wie geschickt er mit den Wendungen umgeht.
Geben Sie daher Ihrer Planung soviel Struktur mit auf den Weg, wie
sie Ihrer Meinung nach braucht: Berichte, Notizen, Dokumentationen,
Verfahrensanweisungen, etc., aber Sie tun gut daran, bei Bedarf
intuitiv zu reagieren und einige Entscheidungen spontan treffen
zu können.
Kanadischen
Business-Meetings liegt eine Tagesordnung zu Grunde, wie den meisten
geschäftlichen Besprechungen in Deutschland auch. Wichtige
Punkte werden rechtzeitig vorher auf die Tagesordnung gesetzt. Das
kanadische Kommunikationsverhalten im geschäftlichen Umfeld ist
allerdings informeller und lockerer, beispielsweise sorgt man mit
einer Portion Humor für den Ausgleich des ernsteren Tons, wenn
es um die Sache geht. Hauptziel ist der Konsens in Bezug auf die
wichtigen Dinge, die Details können auch später
ausgearbeitet werden. Besprechungen werden aus den verschiedensten
Gründen anberaumt, aber sie sind nur selten ein "Alibi".
Der Zweck einer Besprechung ist nicht, eine bereits getroffene
Entscheidung formal abzusegnen, sondern das Thema zu diskutieren,
"Brainstorming" zu betreiben, und neue Meinungen
einzubringen, die durch aussagekräftigen Daten gestützt
werden. Wenn Sie daher einen Vorschlag einbringen oder zu einer
Entscheidung kommen möchten, bereiten Sie sich darauf vor, Ihre
Argumente mit Überzeugung, aber mit einem moderaten Ton
vorzubringen, sie mit Zahlen und Fakten zu unterstützen, und
Ihre Präsentation vorher zu üben. Zeigen Sie Ihre
fachliche Kompetenz, aber fügen Sie einen guten Schuss
Individualität und Flair hinzu.
- Präsentationen
sollten kurz, eindrucksvoll, und durchaus humorvoll sein.
Rechnen Sie damit, für dasselbe Thema wesentlich weniger Zeit
zur Verfügung zu haben als in Deutschland. Fassen Sie die
wichtigsten Punkte in einem leicht lesbaren Kurzbericht zusammen,
den Sie an die Teilnehmer aushändigen. (Vor einiger Zeit wurden
wir vom Board of Trade in Toronto eingeladen, ein "Power
Seminar" anlässlich einer ihrer allmonatlichen
Veranstaltungen zu geben, die unter anderem auch ein Abendessen,
einen Keynote Speaker und Zeit zum Networking umfasste. Unserem
Seminar waren 30 Minuten zugeteilt, dem Abendessen 45 Minuten.
Deutsche würden sich fragen, wie man denn in bloß 30
Minuten etwas lernen soll, während für Franzosen 45
Minuten wohl gerade mal für die erste Runde Vorspeisen genug
wären.)
|
|
Smalltalk Themen
Symbole:
Sehr gutes,
gutes,
kein gutes,
schlechtes Thema.
-
Aktuelle Ereignisse und Aktivitäten
(Hausbau, Wirtschaft, Wetter, etc.)
-
Politik, Reisen, Sport (Europäscher Fußball ist in
Nordamerika relativ unbekannt, wo Baseball, Eishockey, Basketball,
und American Football die Nationalsportarten sind. Der
Nationalsport schlechthin in Kanada ist Eishockey.)
-
Lebenshaltungskosten (Nordamerikaner reden viel offener über
Geld und Gehalt, und was Gegenstände des persönlichen
Bedarfs wie Autos, Häuser, etc. kosten. Dies wird als
"sachliche, öffentliche" Information angesehen und
hat daher einen neutraleren Stellenwert.)
-
Beruf, berufliche Erfahrungen
-
Hobbies, Essen, kulturelle Ereignisse
-
Fragen, die Kritik beinhalten
-
Themen, die zu sehr das Negative betonen
-
Ethnische Witze
-
Die Annahme oder die Unterstellung, das Kanadier nicht-europäischer
Abstammung keine "echten" Kanadier sind
Generelle Hinweise
-
Achten Sie auf einen positiven Grundton
-
Bleiben Sie eher bei "leichteren" Themen, als dass Sie
"Schwergewichte" ansteuern (Es ist beispielsweise nicht
notwendig, dem Thema auf den Grund zu gehen; Nordamerikaner
bevorzugen eher das lockere Gespräch über eine größere
Auswahl von Themen, als dass sie sofort tief in ein einzelnes Thema
einsteigen.)
-
Seien Sie kommunikativ, reden Sie genug
-
Reden Sie nicht zu viel über sich selbst; vermeiden Sie
den detaillierten "2o Minuten Monolog", es sei denn, Ihre
Gesprächspartner zeigen echtes Interesse daran
-
Reden Sie nicht endlos über ein Thema, wenn Sie keine
Rückfragen hören
-
Stellen Sie so viele Fragen, wie Sie beantworten
-
Geben Sie den anderen genug Redezeit
-
Zeigen Sie durch Reaktionen (verbal, nonverbal), dass Sie zuhören
-
Fragen Sie nicht nur, um Informationen zu erhalten, die Sie
interessieren; fragen Sie auch aus Höflichkeit
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Interkulturelle
Kompetenz entwicklen
- Welche
früheren (oder typischen) interkulturellen Erfahrungen hatten
Sie bereits mit Kanadiern, bei denen Sie eventuell aufgetretene
Probleme nicht der interkulturellen Kommunikation zugeordnet
haben? Können Sie diese Erfahrungen jetzt entsprechend neu
bewerten? Würden Sie sich in der gleichen Situation jetzt
anders verhalten?
- Kennen
Sie andere Kulturen, in denen vergleichbare Verhaltens- und
Kommunikationsstile vorherrschen wie in der kanadischen?
- Können
Sie sich andere Situationen vorstellen in der Kanadier auf das, was
Sie sagen oder tun, negativ reagieren könnten, auch wenn Sie
dies überhaupt nicht so meinen?
- Mit
welchen anderen Aspekten des kanadischen Kommunikationsstils haben
Sie bereits Erfahrungen gesammelt? Welche kulturellen Werte vermuten
Sie als Grund dafür?
- Was
sind die entsprechenden Werte in der deutschen Kultur, was dieselben
Konzepte angeht? Wie bestimmen sie die deutschen Verhaltens- und
Kommunikationsmuster?
- Grenzen
Sie die Bereiche ein, bei denen die größten Unterschiede
zwischen dem deutschen und dem kanadischen Kommunikationsverhalten
bestehen, und versuchen Sie die Situationen vorherzusagen, in denen
es am wahrscheinlichsten zu Missverständnissen kommt.
|
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